Ein stetiges Ãrgernis waren die Umtriebe der Socialdemokraten, die in jedem Bericht Erwähnung fanden, besonders aber im Frühjahr/Sommer 1898. Im Zuge der Reichstagswahlen
stellten sich mehrere
Agitatoren (als Redner wurden nur die Anhänger der königstreuen Parteien bezeichnet) der Socialdemokraten in Wesselburen und sorgten für allerhand Erwähnenswertes: Am 22. Juni fand im Saal des Gastwirtes Friedrich Reimers, der auch das Stammlokal der Socialdemokraten beherbergte, "hierselbst von 8 Uhr nachmittags bis 11 Uhr nachts", eine Versammlung statt. Es erschienen 56 Personen, davon immerhin 12 Frauen. Überhaupt waren die Frauen sehr rührig im Parteileben, so erschien im Frühjahr unter anderem als "Agitatorin" Frau Kähler aus Hamburg um vor den Wesselburenern zu reden.
Nicht immer verliefen die Versammlungen friedlich. So weiß Herr Ottens von einer Versammlung von 200 bis 300 Personen zu berichten, die nach heftigen verbalen
Auseinandersetzungen in einer Schlägerei endete.
Ein Ereignis beschäftigte den Amtsvorsteher so sehr, daß er der Sache einen ganzen Brief widmete: "Von dem Gendarmen Muntau und dem Polizeidiener Laß von hier, die am
letzten Sonntage die
"öffentliche Volksversammlung" in dem Locale des Wirths Hinrich Meister hierselbst überwacht haben, ist mir beschwerend darüber Mittheilung gemacht worden, daß das Versammlungslocal ungenügend geheizt worden und sich höchstens nur 5 Grad Reaumur Wärme in demselben befunden hätten, so daß sie bei einem mehrstündigen Aufenthalt in diesem Locale von Kälte zu leiden gehabt hätten. Es ist von denselben auch die Bemerkung gemacht worden, daß namentlich die dort anwesenden Frauen der ärmeren Bevölkerungsklassen, die durchweg einen warmen Winteranzug nicht haben, Kälte augenscheinlich hätten ausstehen müssen. Der längere Aufenthalt in einem ungenügend erwärmten Zimmer ist bekanntlich in manchen Fällen als ein Krankheitserreger anzusehen und dürfte es aus Gesundheiterücksichten zur Frage stehen, ob in einem ungenügend erwärmten Locale überhaupt öffentliche Volksversammlungen abzuhalten sein werden...." Postwendend erhielt der Amtsvorsteher den Bericht mit einer Bemerkung des Königlichen Kreisphysicus Dohrn zurück: "....Wem es friert, mag nach Hause gehen..."
Aus "Kleine Geschichte der Stadt Wesselburen" von Reimer Erdmann
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